Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat seine bisherige Position angepasst und am 17. April 2023 angekündigt, die offenen Rechnungen für Behandlungsgeräte für Kinder mit Geburtsgebrechen während einer Übergangsfrist zu begleichen. Damit wird einer zentralen Forderung von Procap Schweiz nachgekommen. Weiter sollen auch nicht auf der MiGeL enthaltene medizinisch notwendige Geräte und Material in einer Übergangsfrist weiterhin übernommen werden. Offen bleibt, wie es nach der Übergangsfrist weitergeht. Procap fordert deshalb eine langfristige, bedarfsgerechte Sicherstellung der medizinischen Versorgung für Kinder mit Behinderungen.
In den vergangenen Wochen breitete sich bei zahlreichen Familien grosse Unsicherheit aus, weil ihnen Kosten für Behandlungsgeräte in Rechnung gestellt wurden, welche bisher von der IV übernommen worden waren. Der Hintergrund: Aufgrund einer Verordnungsänderung, gemäss welcher Behandlungsgeräte und Verbrauchsmaterial für Kinder mit Geburtsgebrechen künftig nur noch basierend auf der sogenannten Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL) vergütet, entstand ein Preisstreit zwischen der IV und einer Anbieterfirma von entsprechenden Leistungen. Die Folgen aus diesem Preisstreit hätten die – bereits zuvor finanziell stark belasteten – Familien tragen müssen. Das war die Position der BSV-Verwaltung auf eine Nachfrage des Parlaments am 13. März sowie von der «NZZ am Sonntag» vom 16. April.
Erfreulicherweise hat das BSV nun versichert, dass die Familien vorerst weder die offenen Rechnungen bezahlen müssen noch Leistungseinschränkungen erfahren werden. Procap begrüsst diese Übergangslösung sehr – stellt aber drei zentrale Folgefragen: Wie lange dauert die Übergangszeit? Was geschieht nach der Übergangszeit mit Leistungen, die auf der MiGeL nicht vorgesehen sind (spezifische Geräte für Kinder, wichtige Zusatzleistungen wie ein 24-Stunden Service bei defekten und lebensnotwendigen Geräten, höherer Materialverbrauch von Kindern als das Jahresmaximum für Erwachsene)? Und was passiert weiter mit der Verordnungsbestimmung zur MiGeL, der die gesetzliche Grundlage fehlt?
Diese Fragen gilt es nun zu klären. Zudem sollte mittels einer Bedarfsanalyse die Angemessenheit der MiGeL für Kinder geprüft werden. Es gilt, eine Lösung zu finden, die den tatsächlichen Bedarf deckt und verhindert, dass jede einzelne Familie im Einzelfall um ihr Recht kämpfen muss. Dass das BSV die Wirtschaftlichkeit der medizinischen Massnahmen prüft, ist im Gesetz so vorgesehen. Ist ein Behandlungsgerät für ein Kind aber medizinisch notwendig, soll die IV auch dafür bezahlen. Ansonsten ist die Versorgungssicherheit von Kindern mit Behinderungen gefährdet.
Für weitere Auskünfte: Anna Pestalozzi, Stv. Leiterin Sozialpolitik bei Procap Schweiz: 062 206 88 97 oder anna.pestalozzi@procap.ch